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„Was stinkt denn hier so?“ Die Nachbarinnen standen im Treppenhaus und schnupperten, Frau Ganz aus der dritten und Frau Spitz aus der fünften Etage. Augen verschmälerten sich. Tiefe Furchen an den Mundwinkeln schienen sich in Frau Ganz Gesicht wie eine dunkle Botschaft eingegraben zu haben. Frau Spitz, die Jüngere, machte eine neugierig blickende Miene, sowohl wegen Frau Ganz, als auch wegen des merkwürdigen Geruchs im Haus. Mit hoher gepresster Stimme entgegnete sie: „Ach, das wird nichts sein. Kann ja mal passieren.“
Mit Schulterzucken begaben sich die beiden in ihre Wohnungen und gingen den Dingen nach, denen man in Wohnungen so nachgeht.
Man sah sich in diesem Haus nicht sehr häufig und eigentlich nur, wenn man zufällig zur gleichen Zeit zum Briefkasten oder zu den Mülltonnen ging. Viele Bewohner kannte man nicht einmal mit Namen.
Türen wurden geschlossen, Türen blieben verschlossen.
Jeder zog sich in sein eigenes Nest zurück und abends flackerten die Bildschirme der Fernseher wie ein geöffneter Adventskalender aus allen Fenstern.
Wenn man sich vor dem Haus traf, grüßte man mit kurzem Kopfnicken und ging seiner Wege.
Das Haus war ruhig, friedlich und keiner störte den anderen.
Den alten Mann im zweiten Stock hatte man schon eine Weile nicht gesehen. Es interessierte wenig.
Frau Ganz und Frau Spitz waren mit Vorbereitungen zum Osterfest beschäftigt, stellten Zweige auf den Tisch und Hyazinthen auf die Fensterbank.
Sie fanden es nett.
Nur der Gestank im Hausflur wurde stärker. Frau Ganz öffnete das Fenster, lüftete, aber es ließ nicht nach. Er schien unter der Tür von Herrn Klein zu kommen. „Wir sollten doch...“ murmelte sie. Frau Spitz rief den Vermieter an und beschwerte sich.
Als man bei Herrn Klein schellte und dieser sich nicht meldete, brach man die Tür auf.
Der süßlich verwesende Geruch war unerträglich. Herr Klein lag steif mit dunklen Augenhöhlen auf dem Sofa des Wohnzimmers. Tot.
Der Mediziner stellte fest, dass die Leiche schon...